Warten. Auf einen Anpfiff und auf Rauchzeichen. Ein Beitrag über Schall und Rauch.
Erinnert sich noch jemand an diese Championsleague-Übertragung? Nein, nicht der Krampf vom letzten Mittwoch. Den „Torfall von Madrid“ meine ich. Damals knickte vor dem Halbfinale zwischen Dortmund und Real ein Tor um. Und Günther Jauch und Marcel Reif überbrückten die Wartezeit mit einem Rededuell, wie es Samuel Beckett nicht komischer hätte schreiben können. „Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan“, murrte Marcel Reif. „Das erste Tor ist schon gefallen“, konterte Jauch. Über eine Stunde lang passierte nichts, absolut nichts auf dem Fußballplatz. Die beiden Plappertaschen machten dieses Nichts aber zu königlicher Fernsehunterhaltung. Ich lachte Tränen. Saß vor der Glotze wie im Absurden Theater. Ein Genre, das Dank Nobelpreisträger Beckett auch Bühnenbanausen kennen könnten.
In „Warten auf Godot“ tun zwei Landstreicher ja auch nichts – außer eben auf jemanden namens Godot zu warten. Wirklich, das wars schon an Handlung. Die zwei quatschen und quatschen, über Gott und die Welt, sonst passiert nichts. Der Torfall des Theaters quasi. Leider war es letzte Woche nun so, dass diese Papstwahl sich zwar auch als gewaltiges Warten zelebrierte, doch weder führte Beckett Regie (klar, ist ja längst tot, der irre Ire), noch kommentierten Reif und Jauch das Warten auf den weißen Rauch. Dabei hätten sie sich bei diesem Absurden Theater selbst übertreffen können.
Die ganze halbe Woche lang verbrachten allen Ernstes Millionen Menschen damit, einem Kamin per Livestream dabei zuzuschauen, ein Kamin zu sein. Und – zugegeben – zweimal am Tag ein bisschen dunkelgrau zu qualmen. Was man halt so tut als Kamin. Auch als streng katholischer. Bis es dem Rohr auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle Mittwochabend dann zu fad wurde. „Weißer Rauch, endlich!“, hielten die Katholiken den Atem an und hockten sich, sofern sie nicht über den Petersplatz patroullierten, vor den Fernseher. Wo auch ich saß. Zu meinem Pech ganz profan aufs Bayernspiel wartend. Doch statt Fußball: ein Vorhang. Da saß ich nun, ich armer Tor, und kam mir leicht veräppelt vor.
Es mag blasphemisch klingen, aber auch nach einer halben Stunde sprang der Funken nicht von diesem Vorhang auf mich über. Was ich dem edlen Tuch selbst gar nicht vorwerfen möchte. Die Gardine gab sich innerhalb ihrer Möglichkeiten alle Mühe. Wie sich da ab und an ein Fältchen in der lauen römischen Brise regte, und bei jeder Regung die Massen kurz kreischten, als käme gleich Lady Gaga auf den Balkon gestakst anstelle des neuen Tattergreises an der Spitze des Christentums, das war schon eine Leistung für so ein Stückchen Stoff. Am Animationscountdown könnte der Vatikan aber trotzdem noch arbeiten, bis Jorge Mario Bergoglio die Löffel, äh, bitte um Vergebung, die Soutane abgibt. Vorschlag: mit dem Beamer eine filmische Reminiszenz über Leben und Wirkung des jeweils zu Gott (oder neuerdings in Rente) gegangenen Pontifex auf den Vorhang werfen.
Ob das Drehbuch über Franziskus I. besondere Überraschungen bereit halten wird? Vermutlich nicht. Zur Homo-Ehe zum Beispiel sage er klar und deutlich „nein“, so ist zu hören. Wohl eher ein Mann der Kontinuität, wie die Kirche ihr Ewiggestrigbleiben gerne umschreibt. Und plötzlich musste ich doch wieder an Fußball denken. Und diesen Papst an der Spitze der FIFA …